Mittwoch, 29. März 2023

Erschöpfung

Heute ist der erste Tag an dem ich nicht gleich morgens übermütig aus dem Bett springe. Ich hab schlecht geschlafen und bin auch körperlich erschöpft. Beim Frühstück bin ich etwas erschlagen von der Lautstärke einer großen Gruppe von ca. 40 Leuten und ich brauche zwei Kaffee mit Zucker um irgendwie auf Betriebstemperatur zu kommen. Moni fragt, ob ich irgendwas brauche. „Nein danke. Genieß lieber die halbe Stunde in der ich mal nicht so viel Energie habe. Diese Momente sind selten.“


Unsere Etappe startet mit einem steilen Abstieg von 400 Höhenmetern und es geht direkt auf die Oberschenkelmuskulatur. Ich fühle mich nicht so trittsicher und rutsche auch direkt aus. Außer Schreck ist zum Glück nichts passiert. So steigen wir nach Monterosso ab. Von dort geht es über unglaublich viele Treppenstufen wieder bergauf.
Viele der Stufen sind auf Kniehöhe und es braucht viel Kraft mein Körpergewicht inkl. meines schweren Rucksacks bei jedem Schritt hochzudrücken. Ich bin erschöpft und auf dem schmalen Weg auch etwas genervt von den vielen Menschen. Wir erreichen Vernazza, trinken einen Cappuccino im Hafen und machen uns anschließend fluchtartig auf den Weg um den Klassenfahrten und Seniorengruppen wieder zu entkommen. 

Mir kommt die Idee, dass ich im nächsten Ort meinen Rucksack deponieren könnte um die letzten 5 Kilometer nur mit Wasserflasche und Regenjacke zu laufen. (Um dann später meinen Rucksack mit dem Zug abzuholen). Als ich Moni davon erzähle, schlägt sie vor, dass wir die letzten 5km auch ganz weglassen und einfach den Zug für eine Station nehmen. Vielleicht reichen heute auch die 11km. 

Wir haben noch eine gute Brotzeit an einem schönen Ort (etwas abseits der Wanderautobahn), nehmen dann den Zug und erreichen nach 6 Minuten Fahrtzeit unser heutiges Etappenziel: Riomaggiore. 

Wir checken in unserer schönes Zimmer ein, duschen und ich gehe mit Wärmflasche für ein Nickerchen ins Bett. 
Abends drehen wir eine Runde durch den Ort, essen Pasta und ich gehe früh ins Bett. Morgen gehen wir auf unsere letzte Etappe. Hoffentlich mit mehr Energie.

Dienstag, 28. März 2023

Ab ins Kloster

Wieder bin ich als Erste wach, ziehe mir eine Jacke über und hole Kaffee aus dem Frühstücksraum. Zurück im Zimmer reiche ich Moni eine Tasse und wir schauen vom Bett direkt auf den Sonnenaufgang aufs Meer. Könnte das Leben besser sein? Ich glaube nicht. Wieder tauchen viele Fragen in meinen Kopf auf. Zum Beispiel: Sieht man sich irgendwann an so einem Ausblick satt? 



Nach dem Frühstück brechen wir auf. Wieder wechseln sich gute Gespräche und schlechte Witze fließend ab. Moni fragt: „Wie bist Du eigentlich so geworden wie du bist?“ Mh… keine Ahnung. Ich glaube das meiste war schon immer in mir. Ich hab das „anders sein“ nur lange als Schwäche wahrgenommen und wusste damit nichts anzufangen. „Deine innere Freiheit ist wirklich eine unglaubliche Stärke! Und wie du das lebst…Beeindrucken.“ 

Spannend wie unterschiedliche Menschen unterschiedliche Perspektiven auf meine Lebensgestaltung haben können.

„Da unten wartet ein Cappuccino auf uns“, sage ich mit dem Blick auf den nächsten Ort. „Na hoffentlich machen sie den erst wenn ich da bin. Sonst ist der ja kalt bis ich ankomme!“, erwidert Moni lachend. 

In einer kleinen Bar gibt es dann einen heißen Cappuccino und Croissants in der Sonne für uns. Der nächste Wegabschnitt ist mal weniger steil und wir genießen die Ausblicke auf das glitzernde Meer unter uns. Wir erreichen einen Aussichtspunkt und kommen mit einem Paar ins Gespräch. Sie sind gestern mit dem Camper aus Marokko hier angekommen. Sie haben keinen festen Wohnsitz mehr und reisen nun durch Italien Richtung Istanbul. Super sympathische Menschen. 


Irgendwann ist es Zeit für den letzten Abstieg und wir erreichen nach 17km und 850 Höhenmetern Montorosso al Mare. Wir gönnen uns einen Aperol und gutes Essen bevor es mit einem Shuttle zu unserer Unterkunft hoch über der Stadt geht. „Karin du hast ein echt gutes Händchen bei der Tourplanung!“ 

Nach dem grandiosen Hostel gestern, schlafen wir heute in einem Kloster hoch über der Stadt.


Wir bestaunen den Sonnenuntergang bei einem Glas Weißwein und ich singe Moni ein paar Schlager vor. Sie weiß nicht so genau ob sie lachen oder weinen soll.

Mir kommt die Idee, dass ich Urlaubsbegleitung für Menschen, mit denen keiner Urlaub machen möchte, werden könnte. Moin sieht mich eher auf Kreuzfahrtschiffen: „Tagsüber könntest Du Aquafitness geben und abends Schlager beim Kapitänsdinner singen.“ 

Wir haben es gut und viel zu lachen - auch im Kloster.

Was für ein perfekter Museumstag.



Glückspilze

Während Moni noch schläft, zieht es mich um 7Uhr aus dem Bett und raus auf die Dachterrasse. Unter mir toben die Wellen, keine Wolke am Himmel und die Sonne glitzert auf dem Meer. Ich bin glücklich. Auch weil es mir unerwartet gut geht (kein Muskelkater oder andere Schmerzen). 

Ich gehe in den Frühstücksraum, trinke einen Cappuccino und checke die Etappe des heutigen Tages. Es stehen 11km und ca. 500 Höhenmeter auf dem Plan. Gegen 8 Uhr lasse ich mir einen weiteren Cappuccino geben und bringe ihn Moni ans Bett. Gute-Laune-Garantie schon beim Aufwachen. :-)

Wir lassen es heute ruhig angehen, packen nach dem Frühstück unsere Sachen (das meiste ist noch feucht), ziehen unsere nassen Wanderschuhe an und laufen im strahlenden Sonnenschein los. Schon nach wenigen Metern sind die nassen Füße vergessen und wir witzeln wieder über alles mögliche. „Hast du eine Marotte?“, fragt Moni. „Ja, aber die wohnt zum Glück in München!“ Wir haben viel zu lachen und auch echte Gespräche über die Themen die uns bewegen.

So steigen wir auf den ersten Berg, genießen die Aussicht und das Wetter. Moni sagt: „Wir sind echt Glückspilze.“

Stimmt. Heute ist wieder so ein Tag an dem ich sehr dankbar und glücklich bin.

„Was die Leute wohl denken in welcher Konstellation wir zusammen gehören?“, frage ich irgendwann. „Solange wir nicht sprechen, denken Sie bestimmt Mutter und Tochter“, sagt Moni. Ja, aber sobald die hören wie stark Moni niederbayerischen Dialekt spricht und ich fast akzentfreies Hochdeutsch, wird sich die Vermutung nicht mehr halten können. „Ich könnte auch Seniorberaterin in einer Consultingagentur sein und du meine Juniorpartnerin“, schlägt Moni vor. „Aha, du verdienst also einen Haufen Geld während ich den Kaffee koche. Ich glaube schlechte Idee“, sage ich. Wir erfinden noch Entführungsgeschichten, einige Verwandtschaftsverhältnisse und sonstige Geschichten und amüsieren uns prächtig. 

Unseren Pausencappuccino trinken wir direkt am Meer. Wow, was für eine Energie und was für Farben.


Für den zweiten, sehr steilen Aufstieg werden wir mit einer Mittagspause auf dem höchsten Punkt mit Blick über die Küste belohnt.

Wir können unser Glück kaum fassen. Das Gefühl bestätigt sich auch als wir unsere Unterkunft erreichen. Was für ein Ausblick! Unsere Sachen trocknen in der Sonne während wir auf Sonnenliegen vor uns hin dösen. 

Nur ein Windspiel und das Rauschen des Meeres in der Ferne ist zu hören. Irgendwann taucht der Besitzer mit zwei Gläsern Rotwein auf, die er lächelnd vor uns abstellt. 

Die unerwarteten Dinge sind oft die besten. So geht’s uns auch mit dem Abendessen. Das einzige Restaurant im Ort hat Montags Ruhetag. Wir laufen weiter zur einzigen Bar und erfahren, dass es dort auch heute nichts zu essen gibt. Die Besitzerin sieht unsere Enttäuschung. Kurzerhand sagt Sie, dass wir uns setzen sollen. Kurze Zeit später serviert sie uns gefüllte Nudeln und Weißwein. 

Zum Sonnenuntergang gehen wir ins Bett. Was für Glückspilze wir doch sind.

Sonntag, 26. März 2023

Auf Umwegen

Uff… körperlich ziemlich ko. 
Mal schauen ob mein Kopf noch in der Lage ist einen Blogeintrag zu schreiben.

Seit gestern habe ich „Besuch“. Meine Freundin Moni ist aus München nach Italien gereist um mit mir eine knappe Woche den Fernwanderweg der CinqueTerre zu bezwingen. Große Freude bei ihrer Ankunft am Bahnhof von Sestri Levante. Wir suchen uns ein bodenständiges Restaurant, haben gute Gespräche und viele Lacher und gehen früh ins Bett.

Um 7Uhr klingelt der Wecker. Nach einem Frühstück machen wir los auf die erste Etappe. Geplant sind 15km, 840 Höhenmeter und ca. 6:30 Wegzeit. Moni sagt auf den ersten Metern: 
„Wie gut, dass das Leben uns zusammengeführt hat! Du bist eine echte Inspiration in Sachen Lebensfreude. Meine sonstigen Freunde sprechen am liebsten von der Rente in ein paar Jahren. Dabei ist das Leben doch jetzt! Was für eine Freude, dass wir diese Tour zusammen machen.“
Ja, wie wahr. Was für ein Glück, dass wir uns vor einigen Jahren in einem Yogaurlaub in Portugal kennengelernt haben und Freundinnen geworden sind. Trotz der 600 Kilometer zwischen München und Berlin und unserem Altersunterschied von 18 Jahren. 

Wir erklimmen den ersten Berg, genießen die Aussicht und haben gute Gespräche. Nach zwei Stunden erreichen wir einen kleinen Ort und nehmen für einen Cappuccino einen kurzen Umweg in Kauf. 
Moni lacht und sagt: „Mein Mann schreibt: Hab einen schönen Tag mit der verrückten Karin.“ 
Ich weiß gar nicht, was an mir so verrückt sein soll… 
Moni klärt mich auf: „Deine Leichtigkeit und Lebendigkeit ist schon verrückt und mit Dir kann ich auch meine Leichtigkeit leben.“ Ich freue mich und springe fast einen Mann um als ich von der Toilette komme. 
Gut gestärkt setzen wir unseren Weg fort. 



Irgendwann nehmen wir eine Abzweigung, die sich später als „falsch“ herausstellen wird. Wir erklimmen den Colle de Lago und feixen: „Der normale Weg wäre uns ja auch zu einfach gewesen.“ 
Wir machen Brotzeit und ich staune, was Moni alles aus ihrem Rucksack hervorzaubert (und aus München mit hergebracht hat). Brot, ein Stück Käse, gekochte Eier, eine ganze Salami, Apfel… In Sachen Essen ist Moni echt eine Bank.
Nach dem steilen Aufstieg und in dieser Umgebung schmecken die Dinge vorzüglich.

Wir sind gerade fertig mit essen als er zu regnen beginnt. Wir packen zusammen, ziehen unsere Regenkleidung an und laufen weiter.
Es geht erschreckend viel bergauf (zwischendurch auch immer wieder viel runter) und der Regen wird immer stärker. Ich bin schon ziemlich erschöpft und hoffe nach jeder Kurve einen Hinweis auf das Ende dieser Tagesetappe zu entdecken. Stattdessen geht es gefühlt nach jeder Biegung weiter bergauf. Der Regen durchdringt langsam meine Jacke und mein Schweiß bringt zusätzliche Feuchtigkeit. Irgendwann bin ich nass von innen und außen.

Als es zum x-ten Mal steil bergauf geht, beschleicht uns das Gefühl wieder falsch abgebogen zu sein. Wir sind mitten in den Regenwolken und können keine 10 Meter weit schauen. Wir studieren die Karte und wollen gerade umdrehen als ich zur Sicherheit nochmal Komoot nach Rat frage. Komoot sagt, dass wir den Gipfel in 200 Metern erreicht haben und es dann noch ca. 2,5 Kilometer bis zum Ziel sind.
Ich schleppe mich mit letzter Energie auf den Berg und bin unendlich erleichtert und glücklich als wir unser Hotel nach 23 (statt den geplanten 15km) erreichen.
„Wir haben echt keinen Berg der Gegend ausgelassen. Ich bin total fertig“, sage ich lachend zu Moni. 
„Ja, warum leicht wenn man auch Herausforderungen haben kann?“, antwortet sie grinsend. Mein Fleece kann ich vor Nässe auswringen. Ich nutze den Luxus des Hotelpools um ein paar Bahnen zu schwimmen, bevor ich mich dusche und für ein Nickerchen ins Bett packe. Abends hört es auf zu regnen und wir beenden einen schönen Tag voller Umwege bei Bier und Pizza.



Freitag, 24. März 2023

Der lange Weg nach Nizza…

Gerne wäre ich noch etwas im sonnigen und warmen Spanien geblieben. Jedoch habe ich am 25.3 ein Date in Sestri Levante in Italien. :-) 

Ich bin also zurück in Frankreich, habe zwei Nächte im verschlafenen Sète verbracht und mich etwas von meinem Leben mit Freunden und Alkohol erholt. 
Heute bin ich dann wieder in den Zug gestiegen. Das Ziel: Nizza. Die geplante Route sah sechs Stunden Reisezeit mit 1x Umsteigen vor. 
Ich bin pünktlich um 7 Uhr am Bahnhof und stelle fest, dass mein Zug ausfällt.Der erste Zug Richtung Avignon geht in einer Stunde. Ich verbringe die Zeit mit Lesen und Tagebuch schreiben. Nach 1,5 Stunden Fahrtzeit komme ich in Avignon an. Wieder ist mein Anschlusszug gestrichen und ich habe ungeplant zwei Stunden Aufenthalt. Ich laufe durch die Stadt der Päpste und telefoniere kurz mit meiner Schwester. Sie sagt: „Ah, Avignon! Da war ich auch schon mal. Kennste das Lied? Sur le Pont d‘Avignon...“ Wir lachen, legen auf und ich hab den ganzen Tag einen Ohrwurm
Ich besichtige die besungene Brücke, gönne mir ein richtiges Mittagessen (in der Vorahnung, dass ich noch viel Zeit heute im Zug verbringen werde) und steige in den Zug nach Marseille. 


In Marseille fährt in 5 Minuten ein Schnellzug direkt nach Nizza. Bevor ich eine Reservierung am Automaten kaufen kann, ist der Zug weg. In Frankreich kommt man oft nicht mal auf den Bahnsteig ohne die passende Fahrkarte bzw. Sitzplatzreservierung. Ich bin etwas genervt und kaufe mir statt einer Reservierung eine Tafel Schokolade. 


Mit dem nächsten Regionalzug geht es dann weiter nach Toulon. Unterwegs versuche ich die Streikfahrpläne zu checken. Ab Toulon soll ein TGV direkt nach Nizza fahren. Ich hab 8 Minuten um mir eine Reservierung am Automaten zu kaufen und den richtigen Bahnsteig zu finden. Klingt nach einer Herausforderung - ist es auch.
Einfahrt in Toulon. Ich renne los, suche einen Automaten, kaufe die Reservierung und renne zum Bahnsteig. Durch die Zugangskontrolle, rein in die erste Zugtür, die sich hinter mir schließt. Geschafft. Der Zug setzt sich Sekunden später in Bewegung.
Hätte ich diesen Zug nicht bekommen, müsste ich zwei Stunden in Toulon warten und hätte 20€ der (gerade etwas nervenden) SCNF geschenkt.

Und hätte ich gewusst, dass ich während meines Interrail-Trips so viel rennen würde, hätte ich Lauf- statt Wanderschuhe mitgenommen.

Nizza: meine Erschöpfung und Genervtheit (nach 10 Stunden Reisezeit und 3x Umsteigen) ist sofort verflogen. 

Ich bin von der ersten Minute schockverliebt in diese Stadt. Die Luft, die Häuser, der Vibe. Einchecken in eine Jugendherberge, in der etliche Jugendliche auf Klassenfahrt sind (wird bestimmt eine kurze Nacht) und ab ans Meer. Ich erklimme die ehemalige Festung und genieße den Ausblick über Stadt und Meer. Wunderbar.

Ich hätte früher hier her kommen sollen… 

Morgen geht’s dann nach Italien. Ich bin in Vorfreude 😊 


Mittwoch, 22. März 2023

Freunde und Freunde von Freunden

Wie gut, dass es auf der Welt so viele Menschen gibt. Und was für ein Glück, dass einige davon meine Freunde sind.

Von Barcelona mit dem Bummelzug nach Valencia. Was für eine schöne Zugstrecke direkt am Meer. Die Zugausstattung zwischen französischen und spanischen Zügen ist sehr unterschiedlich. So gibt es auf der fünfstündigen Fahrt zum Beispiel keine einzige Steckdose. Etwas unglücklich… wollte ich die Zeit doch zum Blogschreiben und Hostelbett buchen nutzen. Für ein Bett in Valencia reichen die 8% Akku dann noch. Dann ist Zeit um aus dem Fenster schauen und etwas zu schlafen. 
In Valencia checke ich in mein 8-Bettzimmer ein und breche gleich wieder auf. Ich bin mit meinem Freund Marco und Julia zum Aperitif verabredet. Wiedersehensfreude pur. Beide sind für eine Woche zu Besuch bei Freunden in Valencia und als ich das vor einer Woche erfuhr, entstand der Plan spontan hier her zu kommen. 


Ein paar Kaltgetränke und Tapas später, brechen wir zu den Fallas auf. Die Falla sind ein riesiges Stadtfest was durch die UNESCO zum immateriellen Kulturgut ernannt wurde. Ich komme zum letzten Tag dieser Feierlichkeiten, der durch Feuerwerke und das Verbrennen der riesigen Skulpturen in den Straßen geprägt ist. Wir stehen dicht gedrängt in einer Strasse, es ist eine unbeschreibliche Stimmung.



Dann startet das Feuerwerk und ich denke mal wieder: „ich bin immer am richtigen Ort mit den richtigen Menschen“. Nach der Verbrennung mache ich mich müde auf den Weg ins Bett. 
Die Nacht ist kurz… um 4 Uhr kommen fünf  Frauen vom feiern nach Hause. Licht an und es dauert eine Stunde bis alle im Bett sind. Ich spare mir das Aufregen… es ist schließlich egal wann ich am nächsten Morgen aufstehe. 
Um 8 Uhr hält mich dann nichts mehr im Bett. Mein Hostel ist praktischer Weise direkt im Bahnhof und ich buche mir einen Sitzplatz für den Intercity für den nächsten Tag am Schalter. 
Noch so ein krasser Unterschied zwischen Frankreich und Spanien. In Frankreich werde ich am liebsten ignoriert wenn ich englisch spreche und ich habe das Gefühl, dass die Menschen persönlich beleidigt sind (dass ich kein französisch spreche). In Spanien sprechen fast alle Menschen sofort entspannt Englisch und sind auch ohne Worte offen und hilfsbereit.
Den Tag verbringe ich am Strand und später im Waschsalon. Ich sitze in dicker Jacke und kurzer Hose dort (alles außer dieser zwei Kleidungsstücke musste dringend gewaschen werden). 
Abends treffe ich Marco, Julia und die zwei Freunde zum Abendessen. Wieder gute Gespräche und Freude, dass ich mit tollen Menschen bin.

Am nächsten Tag nehme ich den Zug nach Tarrangona. Auf diesen Ort wäre ich selbst als Stopp wohl nicht gekommen. Der erste Eindruck ist etwas unscheinbar. Ich trinke in der Hauptstraße einen Kaffee und bekomme das Croissants dazu geschenkt. Dann stehe ich vor der Haustür von Roger. 
Roger ist ein Freund von meinem Freund Alexander und ich darf eine Nacht hier übernachten. Wir sind uns gleich sympathisch und brechen zu einer Sightseeingtour auf. Roger ist der perfekte Guide. Wir starten an einem Aussichtspunkt am Strand, spazieren über ein Aquädukt, schlendern über die Hauptstraße, besichtigen die Markthalle, die Ruinen vom römischen Amphitheater. 


Ich lerne viel über die Zeit der Römer, den spanischen Bürgerkrieg, die Diktatur und die Traditionen Kataloniens. Wir essen Tapas auf dem Rathausplatz und wollen gerade nach Hause als wir noch spontan ins Rathaus schauen. Drinnen übt eine Gruppe Castells (Menschentürme). Ich staune und erfahre, dass Tarrangona das Zentrum dieser berühmten Tradition ist (übrigens auch ein immaterielles UNESCO Weltkulturerbe). Müde und glücklich falle ich in  Rogers Gästebett.


Was für ein Glück Freunde zu haben… und Freunde von Freunden.

„Mögest du immer zur richtigen Zeit die richtigen Menschen treffen.“

Montag, 20. März 2023

Eine Nacht…

… in Barcelona.

In Barcelona war ich eigentlich nur aus reisetechnischen Gründen. Durch die Streiks in Frankreich war es mir zu heikel, meine Reise und damit ggf. Schnellzugreservierungen von Carcassonne direkt bis Valencia zu planen.
So bin ich am Samstag Nachmittag in Barcelona angekommen, quer durch die Stadt zum Hostel gelaufen, hab meinen Rucksack im 8-Bettzimmer (7 Typen und ich) deponiert und mich gleich wieder Richtung Universität aufgemacht. Meine Schwester hatte den Kontakt zu einem Bekannten von ihr hergestellt und ich war eingeladen an einem Meetup zum Thema „Meditation im Gespräch“ von ihm teilzunehmen. Im Vorfeld erzählt mir mein Kopf, dass ich da auf gar keinen Fall hingehen kann. Mein Englisch sei viel zu schlecht. 
Ich nehme diese Angst und die dazugehörige Ausrede wahr und erinnere mich, dass ich mit dem „nicht genügen“ fertig bin. 
„Lieber Kopf, ich bin mehr als meine Englischkenntnisse und ich werde teilnehmen!“

Wir sind zu sechst und ich fühle mich sofort wohl und entspannt. Und natürlich treffe ich in dieser Runde  einen Menschen aus Bielefeld. Die Welt ist wirklich klein. 
In verschiedenen Übungen spüren wir in uns hinein und teilen unsere Wahrnehmung mit, während wir Blickkontakt mit einem Menschen haben. Genau meine Übung. Ich schaue, spüre und teile unter anderem mein Bedürfnis mit, die Hand des Menschen halten zu dürfen. Intensiver Blickkontakt und eine kalte Hand in meiner. Wieder passiert etwas, was ich bereits ein paar Mal erleben durfte. Der Mensch beginnt zu weinen. Ich spüre Verbundenheit und tiefe Stille.

Ich erlebe weitere ergreifende und verbindende Momente mit allen fünf Menschen. Am Ende fühle ich mich so sicher, dass ich Umarmungen anbiete. Ich erkläre dem Menschen worum es mir dabei geht und wir gehen in eine Umarmung. Es dauert einige Minuten bis ich anfange mental loszulassen und mich tief zu entspannen. Nichts tun müssen, nur mich und die andere Person spüren. Nach ca. 5 Minuten lösen wir uns aus der Umarmung und sind beide glücklich. „Das war krass“, sagt die andere Person. So hat er noch nie umarmt. Wir ziehen zu fünft los und essen gemeinsam zu Abend. 

Ich habe gute Gespräche über Dating, Körperkontakt, Tantra und Beziehungsmodelle und denke: „Wie gut, dass ich nicht auf meinen Kopf gehört habe und mutig zum Meetup gegangen bin. Mut wird immer belohnt.“
Zu Dritt ziehen wir weiter. Uns treibt die Lust am Tanzen. Auf einer Tanzfläche, schließe die Augen, spüre meine Lebendigkeit und den Beat und bin glücklich. 

Irgendwann werde ich müde und sehe, dass ich 57 Minuten bis zum Hostel zu laufen habe. Ich mache mich auf den Weg und werde von Shaun mit den Worten: „Wir sind mit unserem Gespräch noch nicht fertig und ich habe so viele Fragen.“ begleitet. Ich erzähle von meinem Leben, der Liebe und welche Veränderung Polyamorie in mein Leben gebracht hat. So geht die Zeit schneller vorbei als erwartet, wir verabschieden uns mit der Gewissheit, dass wir uns in Bielefeld wiedersehen und ich kletter müde in mein Bett im Hostel. Es riecht schrecklich nach pubertierenden Jungs (Schweiß und Käsefüße). Egal. Ich bin müde und hatte einen großartigen Abend. Augen zu, Ohropax rein und schlafen.

Am nächsten Morgen frühstücke ich im Hostel. Kaum habe ich mich hingesetzt, spricht mich ein Typ an. Er ist Niederländer und mit dem Fahrrad durch Europa unterwegs. Mit ihm ist es sofort leicht. Wir quatschen übers Reisen, das Leben, zukünftige Arbeitsideen und haben viel zu lachen. Als er sich verabschiedet, frage ich ob er eine Umarmung haben mag. Mag er. Wir umarmen uns und ich freue mich sehr über diese unerwartete Begegnung. 
Ich checke aus und will noch etwas sightseeing machen, bevor ich Barcelona verlasse. Ich fahre mit der Metro zur Sagrada Familia und finde mich im Barcelona Marathon wieder. Ich bleibe neben einer Trommelgruppe stehen, beobachte die Marathonteilnehmenden, tanze mit Rucksack und genieße die Stimmung. 



Irgendwann wird es Zeit aufzubrechen. Ich steige in den Bummelzug nach Valencia und bin überwältigt und dankbar für die unglaublich gute Zeit in Barcelona. 

Glücksmensch 😌

Samstag, 18. März 2023

Erst die Arbeit…

… und dabei schon Vergnügen.

Bonjour aus Carcassonne.

Hier kommt ein schnelles Update bevor ich mich in ein paar Stunden auf den Weg nach Barcelona mache.

Ich bin mal wieder geflasht von dem Glück was mir begegnet (wichtig: Glück hat in meiner Welt nicht viel mit Zufall zutun aber dazu mal an anderer Stelle mehr).
Seit Mittwoch bewohne ich das schöne Haus von Kate. Kate habe ich über Workaway kontaktiert, wir haben noch am gleichen Abend telefoniert und sie hat mich eingeladen in ihrer Abwesenheit in ihrem Haus zu wohnen. Hier bin ich nun und genieße es sehr. 
Meine Vormittage verbringe ich Unkraut jätened im Garten, höre dabei viel Musik und singe so manches Lied lautstark mit. Sind ja nicht meine Nachbarn... :-)(Natürlich hatte ich vorher schon Kaffee in der Sonne und ein gutes Frühstück). 


Meine Hände sind schwarz von Erde und ich denke an meinen Vater und wie viele Stunden er kniend in unserem Garten verbracht hat. Weniger weil er so viel Freude daran hatte, sondern aus meiner Perspektive aus zwei anderen Gründen. Zum einem war ihm wichtig, dass der Garten vorzeigbar ist und zum anderen war der Garten eine gute Möglichkeit dem Familienleben am Wochenende aus dem Weg zu gehen. Unter der Woche war er beruflich oft in Frankfurt oder Berlin und die meiste Zeit nicht da. Arbeiten, beruflicher Erfolg und finanzielle Sicherheit waren ihm sehr wichtig. 
Dafür bin ich heute dankbar (schließlich wohne ich in der Wohnung, die er mal gekauft hat) und ich hätte mir  als Kind und Jugendliche eine andere Beziehung zu ihm gewünscht. 

Seit seinem Tod vor 7 Jahren hat sich viel für mich verändert. Sein Herzinfarkt am ersten Urlaubstag in Griechenland ist für mich eine ständige Erinnerung. Das Leben kann jeden Tag zu Ende sein. 

Seit dem ist für mich klar: ich möchte in dem Moment, in dem ich diese Welt verlasse Dankbarkeit spüren. Nicht Panik (weil ich doch noch so viel tun wollte, so viele Pläne nicht angegangen bin oder den Menschen die mir wichtig sind das nie gesagt habe). 
Also lebe ich das beste Leben, was ich leben kann. 

Mein Vater begegnet mir häufiger (nicht nur bei der Gartenarbeit) sondern besonders oft in Zügen (bevorzugt im Bordrestaurant) oder in kleinen, schönen „Städtchen“. Heute ist er mein liebevoller Begleiter und Unterstützer. Er sagt mir oft, dass ich das alles richtig mache und er spricht mir in Momenten des Zögerns Mut zu. Heute haben wir die Verbindung, die ich mir früher gewünscht habe.

Uff… kleine emotionale, ungeplante Schleife…wollte sich anscheinend endlich mal verschriftlichen. Und die Idee dieses Blogs: schreiben was da ist. (Da ich übrigens alle Texte auf dem Handybildschrim tippe, sind Tippfehler, Autokorrektur-Fehler, ungünstige Formatierungen, Zeichensetzungsfehler, etc. einfach da und Teil des Gesamtkunstwerks ;-).)

Zurück zu meinem Leben in Carcassonne…
Am Nachmittag schnappe ich mir das Fahrrad und besichtige die Burgstadt. 

Es ist beeindruckend und nährt meine heimliche Begeisterung für das Mittelalter. Ich esse ein Crêpe und lasse mich durch die Gassen treiben. Was für ein Luxusleben. Zurück „Zuhause“ koche ich mir Abendessen und genieße den Abend lesend auf dem Sofa. 
Heute nehme ich vorerst Abschied von Frankreich 🇫🇷. Auf nach Spanien… olé! 

Donnerstag, 16. März 2023

12 Stunden bis Carcassonne

Guten Morgen aus Carcassonne.

Das ich es gestern bis hierhin geschafft habe, grenzt für mich an ein Wunder. 

Mein Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang am Atlantik. Ich genieße den Geruch von Salz in der Luft und das Donnern der heranrollenden Wellen. Zurück im Hostel erwartet mich der strahlende Besitzer. „Ich hab dir den Kuchen mitgebracht, von dem ich gestern gesprochen habe. Probier am besten beide Sorten.“ Wow. Ich frühstücke also leckeren Kuchen und setze die guten Gespräche über Lebenseinstellungen und Arbeit des Vorabends fort. Ich hab‘s gut.

Ich werfe meinen Rucksack über die Schulter und nehme dankbar Abschied von dem besten Hostel in dem ich bisher war. Singend laufe ich zur Bushaltestelle. Der Bus ist voll mit Jugendlichen die alle auf ihr Handy starren. Ich zahle 1€ für die Fahrkarte und frage mich wieder viele Fragen auf der 30 minütigen Fahrt. Warum sind diese jungen Menschen an einem sonnigen Tag so energielos? Niemand spricht, alle scrollen durch Instagram… 

Am Bahnhof hab ich geplant eine Stunde Zeit. Ich gehe zum Schalter und frage, ob es möglich ist noch spontan den Schnellzug ab Bordeaux zu reservieren. Die Frau sagt: „Impossible“. Ich antworte, dass ich dann mit den Regionalzügen nach Carcassonne fahre. Sie schaut mich mit große Augen an, tippt wild auf ihrer Tastatur herum und sagt erneut: „Impossible“. Leider spricht sie kein Englisch und so wendet sie sich kopfschüttelnd der nächsten Kundin zu. Ich warte in der Sonne und telefoniere ausgiebig mit meiner Schwester. Der Zug ist pünktlich und leer. In Bordeaux habe ich eine Stunde Aufenthalt. Ich gönne mir einen Kaffee in der Sonne mit Blick auf den Bahnhof. Mit dem Zug geht es weiter nach Agen. Die 1,5 Stunden Umstiegszeit nutze ich für eine kleine Erkundungstour durch diese schnuckelige Stadt. 

Ich bin pünktlich zurück am Bahnhof und stelle fest, dass keine Züge mehr auf der Anzeige zu sehen sind. Aha. Das ist also dieser Streik von dem alle sprechen :-). Ich richte mich gedanklich schon darauf ein, eine Nacht hier zu bleiben als ich eine Frau höre die wütend auf einen Bahnmitarbeiter einredet. Es fällt das Wort „Carcassonne“ und ich werde hellhörig. Der Mann verlässt mit der Frau rennend das Bahnhofsgebäude, ich hinterher. Draußen setzt sich gerade ein Bus in Bewegung. Der Bahnmensch rennt schneller, schreit, winkt wie wild. Der Bus hält, die Frau und ich steigen ein. Ich hab keine Ahnung wohin dieser Bus fährt und freue mich über meinen spontanen Impuls den anderen ungefragt hinterherzurennen. Die Frau sitzt ein paar Reihen vor mir und ist sichtlich gestresst und weint. 

Ich kann gut mitfühlen. Es ist noch nicht so lange her, dass mich so ungeplante Ereignisse gestresst und geängstigt haben. Ich bin dankbar, dass ich das jetzt so oft loslassen kann und nun glücklich statt geängstigt in einem Bus sitze von dem ich nicht weiß, wohin er mich bringt. Nach zwei Stunden erreichen wir Toulouse. Laut Anzeige im Bahnhof soll in 5 Minuten ein Bus nach Carcassonne fahren. Wieder renne ich, suche den Abfahrtsort und bin die Letzte, die einsteigt bevor der Bus abfährt. Die Frau kann ich nicht entdecken. Mittlerweile ist es dunkel draußen und ich freue mich über meine selbstgemachten Wraps zum Abendessen.

Um 21:30 erreiche ich müde Carcassonne. 



Ich hab es hier wieder als Workaway versucht und einer Frau meine Unterstützung angeboten. Sie hat mich gleich angerufen und mir erzählt, dass sie mich gerne aufnehmen würde. Allerdings fliegt sie am Tag meiner Anreise für zwei Wochen nach Großbritannien. Ich könnte aber einfach in ihrem Haus wohnen und etwas Gartenarbeit machen. Ob ich Lust dazu habe? Ja, was für eine Frage.

So habe ich jetzt ein wunderbares Haus am Stadtrand von Carcassonne für mich alleine. Die Streiks gehen noch bis zum Wochenende. Ich bleibe also erstmal entspannt hier und mache mich dann auf den Weg nach Spanien. 


Montag, 13. März 2023

Was wäre wenn…


Heute war der Tag an dem ich mich viele Fragen gefragt habe. Unter anderem: „Was wäre wenn ich mich wirklich von allen gesellschaftlichen Normen, beschränkenden Glaubenssätzen und Ängsten befreien könnte/würde? Wie würde ich dann leben wollen?“

Ich starte den Tag barfuß zum Sonnenaufgang am Meer. Ich liebe die vielen Farben, lasse den Wind durch die Haare pusten, spüre das kalte Meer an meinen Füßen, beobachte die ersten Surfer und bin einfach glücklich. Und ich frage mich zum ersten Mal an diesen Tag, wieso ich eigentlich im Arbeitsleben so viel Zeit am Laptop verbringe. 

Zurück im Hostel trinke ich Kaffee, frühstücke und schreibe Tagebuch. 

Ich breche entspannt zu einer Wanderung auf. Durch Dünen, am Strand entlang…

Nach einigen Kilometern führt der Weg in einen Korkeichenwald. Ich höre den Atlantik in der Ferne rauschen und rieche die Mischung aus warmen Sand und Wald. „Schöner Weg“, denke ich und muss einige Meter weiter lachen als ich die gelbe Muschel auf blauen Grund auf einem Schild entdecke. Natürlich - ich bin auf einem der vielen Jakobswege und die spanische Grenze ist nur ca. 60km entfernt. 


Ich folge dem Weg für ca. 12km und denke an meine gute Zeit auf dem portugiesischen Jakobsweg 2018. Auch der Strand von Byron Bay taucht vor meinem inneren Auge auf und es gibt eine kurze Sehnsucht nach Australien und eine neue Frage in meinem Kopf: „Sollte ich nicht einfach im Herbst dorthin reisen? Surfend überwintern?“

Ich kehre zum Mittagessen in ein Restaurant am Strand ein, beobachte Menschen, gönne mir Crêpe zum Nachtisch und mache mich nach einer Stunde Pause auf den Rückweg. Es tauchen weitere Fragen auf. Ich halte zwischendurch an, hole mein Tagebuch raus und schreibe mit Blick auf das tobende Meer.

Zurück im Hostel stelle ich fest, dass ich über 25 km gelaufen bin, weite Strecken durch Sand. Ich bin erschöpft, dusche und schleppe mich zum Sonnenuntergang nochmal ans Meer. Es regnet und ein Sturm zieht auf. Die Sonne verabschiedet sich mit spektakulären Farben und ich falle müde ins Bett. Morgen ist ein neuer Tag - für ein paar Antworten und bestimmt noch mehr Fragen. 

Ab ans Meer…

Guten Morgen aus Capbreton am wilden Atlantik.

Aber der Reihe nach…

Ich hatte eine gute Woche als Workaway in der Nähe von Bordeaux. Morgens habe ich das Yoga genossen und die Stille während des Spaziergangs zum Sonnenaufgang übers Grundstück mit Kaffee und den zwei verspielten Hunden. Ich war schnell in die Familie und ihre typischen Abläufe integriert, hab das Haus geputzt, umstrukturiert und die Zeit mit Gesprächen, Spielen, rumalbern mit den Kindern, lesen und schreiben vorm Ofen geschätzt.


Und dann war es an der Zeit meinen Rucksack zu packen und weiterzuziehen. Die drei Kinder wollten mich in die Scheune einsperren damit ich für immer bleibe… ich konnte mich zum Glück befreien, verabschieden und in den Zug Richtung Bayonne steigen. :-) 

In Bayonne fiel dann der Anschlusszug auf Grund von Streiks aus und es sollte auch kein anderer mehr an diesem Tag fahren. Kurz überlegt ob ich die 21 km mit Rucksack einfach laufen soll und mir das dann doch für den Notfall aufgehoben. Also zur nächsten großen Straße, einen guten Standort finden (dabei meinen Wunsch ans Universum formulieren) und Daumen raus. 

Ein paar Autos rasen vorbei und ich spüre in mich hinein. Frage mich: „Bin ich wirklich offen und bereit?“ Ich spüre Unsicherheit und Angst, atme tief durch, denke daran, dass ich 2023 mehr Vertrauen zulassen und Kontrolle abgeben wollte. Dafür ist jetzt ein guter Moment. Atmen, entspannen und Daumen raus. Zwei Autos fahren vorbei, das Dritte hält. Zwei junge Frauen lassen mich einsteigen und fragen wohin ich möchte. „Capbreton oder alles was in die Richtung geht. Was ist euer Ziel?“ Sie sind zwei Spanierinnen aus Pamplona und erkunden am Wochenende manchmal Frankreich. Heute wollen sie nach Capbreton an den Strand. Ich kann mein Glück kaum fassen. Wir quatschen übers Reisen und das Leben und schon sind wir am Ziel. Wieder werde ich direkt vor der Tür des Hostels abgesetzt, ich gebe ihnen meine Nummer und lade sie ein, bei mir zu übernachten wenn sie mal in Berlin sind. Ich checke im Hostel ein, lasse meinen Rucksack im 6-Bettzimmer und gehe ans Meer. Da ist er: der Atlantik. Ich stehe staunend in der Sonne,  barfuß am Strand, lasse das eiskalte Wasser um meine Füße laufen und beobachte die Wellen. Was für eine Kraft. 


Ich sitze stundenlang am Strand, beobachte die Surfer und genieße die Sonne auf meiner Haut.

Das sind die Momente, für die ich zu meiner Reise aufgebrochen bin. Glücksmensch 😌

Donnerstag, 9. März 2023

Landträume

Bonjour aus der Nähe von Bordeaux.

Seit Montag bin ich als Workaway bei einer fünfköpfigen Familie auf dem Land. Hier arbeite ich einige Stunden am Tag und darf im Gegenzug kostenlos bei ihnen wohnen und essen.

Das Haus ist ein 500 Jahre altes Gutshaus was Zoe und Fabian vor einem Jahr gekauft haben und es nun Stück für Stück renovieren und umbauen.

Mein Tag beginnt um 6:30 Uhr mit 40 Minuten Mediation und Yoga mit meiner Gastmutter Zoe. Anschließend reinige ich den Herd und heize ihn an, drehe mit den zwei Hunden und meinem Kaffee eine Runde ums Haus um alle Fensterläden zu öffnen und genieße die Aussicht und den Sonnenaufgang.

Ich frühstücke mit den drei Kids (6,9,11), helfe beim Schulsachen packen und Schuhe finden und schreibe Tagebuch vor dem warmen Ofen sobald die Meute das Haus verlassen hat.


Den Vormittag verbringe ich dann mit Hausarbeit. Ich räume auf, putze, beziehe Betten… Zoe sagt: „Mein Badezimmer war noch nie so aufgeräumt und sauber. Du bist die deutsche Marie Kondo.“ 

Ich lache, freue mich über das Lob. Nachmittags spiele ich mit den Kindern. Gestern war gutes Wetter und ich bin mit den zwei Mädels losgezogen um die Pferde von der Weide zu holen. Wir stapfen quatschend über matschige Wiesen, die zwei Hütehunde toben um uns herum, die Sonne scheint und in der Luft ist ein Hauch von Frühling. Das Leben meint es gut mit mir. 

Wir putzen und satteln die Pferde und reiten übers Grundstück. Ich sitze zum ersten Mal seit wohl 20 Jahren auf einem galoppieren Pferd und strahle übers ganze Gesicht. 


Später bringen wir die Pferde zurück, fangen ein entwischtes Schaf ein, ich räume schnell nebenbei die Sattelkammer auf und wir spielen in der Scheune Basketball.

Nach dem duschen spiele ich beim Kaffee Backgammon gegen Fabian. Ich hab bei vielen Spielzügen meine Mutter im Ohr und freue mich so eine gute Lehrerin zu haben. Ich gewinne gegen einen beeindruckten Gegner. 

Ich helfe beim Abendessen und decke den Tisch. Wir essen gemeinsam und ich räume auf während sich die Kinder bettfertig machen.

Auch ich gehe früh ins Bett, lese, schreibe Tagebuch und freue mich auf den nächsten Landlebentag in Frankreich.





Montag, 6. März 2023

Paris

Überpünktlich erreicht der Zug Paris. Ich bin eine der Letzten die den Zug verlassen, mache mich entspannt auf den Weg zur Jugendherberg, lasse meinen Rucksack im 6-Bettzimmer und beschließe, ohne Plan durch die Stadt zu treiben. 
Mich beeindruckt die Architektur und ich bleibe oft stehen um mir die pompösen Häuser und das bunte Treiben auf der Straße genauer anzuschauen. Ich laufe durch kleine Straßen, viele Geschäfte haben marktähnlich ihre Ware auf der Straße ausgelegt und ich freue mich über die vielen Gerüche von Backwaren, Obst, Kaffee, Zigarettenrauch und so viel mehr… Der Singsang des französischen mischt sich an vielen Stellen mit afrikanischen Sprachen und nach meiner anfänglichen Irritation über die Lautstärke entspanne ich mich immer mehr. Ich bin schon fast eine Stunde unterwegs als ich unerwartet am Fuße von Sacré-Cœur stehe. Ich steige die Treppen hinauf und werde mit dem Blick über Paris belohnt. 
Kurz kommt die Erinnerung hoch: ich war vor etlichen Jahren (war es 2008?) schon mal hier und habe meine Freundin Wiebke während ihres Studiums besucht… wow ist das lange her.
Ich beobachte Menschen und spüre Hunger in mir aufsteigen. 


Ich steige vom Berg und kehre in das nächste Restaurant ein. Ein Mann begrüßt mich überschwänglich auf französisch und ich antworte entschuldigend auf Englisch. Er verstummt, weist mir einen der 6 Tische zu und reicht mir schweigend die Karte. Ich bin der einzige Gast und er scheint kein Englisch zu sprechen.
Ich bestelle Pizza und Wein und bereue mich in der 11. Klasse nicht für den Französischunterricht begeistert zu haben. Ein Mann kommt rein und fragt ob er draußen essen darf. Der Restaurantbesitzer nickt nur und ist irritiert. Nachdem der Gast draußen Platz genommen hat, sagt er zu mir „Froid“, verdreht die Augen und bringt widerwillig die Speisekarte raus. Ich schmunzel, esse eine unglaublich gute Pizza, trinke hervorragenden Wein und beobachte das dargebotene Schauspiel was sich mir nun bietet. 
Immer wenn der Kellner zu dem Gast raus muss, nimmt er demonstrativ seinen Schal vom Garderobenhaken, wickelt ihn elegant im gemächlichen Tempo um, geht raus, kommt wieder rein und hängt den Schal zurück. Der Schal wird vier mal umgewickelt und wieder zurück gehängt. Ich amüsiere mich als am Ende der Gast sich erbarmt und zum Zahlen freiwillig reinkommt. Als er weg ist, nutze ich einen Übersetzer und tippe: „Danke. Das war eine der besten Pizzen, die ich je gegessen habe. Auch der Wein ist fantastisch. Herzlichen Dank.“ Der Kellner liest, strahlt und bedankt sich. Er holt die Flasche Wein, gießt ungefragt nach und stellt mir Tiramisu auf den Tisch.
Ich bin im Paradies und genieße diese unerwarteten Extras. 

Irgendwann zahle ich, gebe großzügig Trinkgeld (weder das zweite Glas Wein noch das Tiramisu stehen auf der Rechnung) und mache mich beschwingt auf den Weg zurück zur Jugendherberge. 
In meinem 6-Bettzimmer schlafe ich so gut wie seit Tagen nicht. 
Paris gefällt mir viel besser als gedacht… vielleicht komme ich ja nochmal wieder. Aber jetzt erstmal: Bordeaux 

Sonntag, 5. März 2023

Köln und Darmstadt - mein Leben als Glücksmensch

Guten Morgen aus dem Zug nach Mannheim…

Heute steige ich also in den Zug nach Paris verlasse das gewohnte „Terrain“.

Die letzten zwei Tage habe ich mein Luxusleben genossen… von Bielefeld ging es weiter nach Köln. Ich hatte mich recht spontan bei meinem Freund Joel (den ich 2018 auf dem Jakobsweg kennengelernt habe) und seiner Familie „eingebucht“. Auf die Frage, ob es ein freies Bett bei ihnen für mich gäbe, kam zurück: „Klar, wir haben zwar auch Besuch von einer anderen Familie mit vier Personen und müssen am nächsten Tag zu einem 75. Geburtstag - kriegen wir aber alles hin und ich freue mich dich wiederzusehen.“ Ich liebe tiefenentspannte Menschen.  :-) 
So habe ich einen wunderbaren Abend mit selbstgemachter Pizza, guten Gesprächen in größerer Runde und einer entspannten Nacht im Kinderbett (umringt von etlichen Kuscheltieren die alle auf mich aufpassen sollen 😂) verbracht. Morgens entspannt frühstücken bevor alle das Haus verlassen. Ich gönne mir einen zweiten Kaffee und schreibe Tagebuch auf dem Sofa in einem plötzlich stillen Haus. Irgendwann breche ich auf und laufe die 8km zu Fuß zum Bahnhof. 
Ich genieße es in meinem eigenen Tempo unterwegs zu sein und das Gewicht meines Rucksack auf dem Rücken zu spüren. Ich fühle mich leicht, beglückt und frei.
Weiter geht‘s nach Darmstadt. Wiedersehen mit Jan-Lukas… ihn habe ich vor 1,5 Jahren am Gardasee kennengelernt als ich spontan als Reiseleiterin gearbeitet habe. Wieder gute Gespräche, gemeinsames Essen und sein WG-Zimmer über Nacht für mich alleine. Was für ein Luxusleben. 
Wir frühstücken mit seiner Freundin in einem netten Café bevor ich wieder meinen Rucksack schnappe und mich zum Zug nach Mannheim aufmache.
Beim Einsteigen in den TGV in Mannheim nach Paris stelle ich fest, dass meine Reservierung für den Zug ist, der vor 3 Stunden abgefahren ist. Ich spreche beim einsteigen freundlich die Zugbegleiterin an. Die lächelt nur und sagt: „setz dich einfach auf einen freien Platz.“ Hier sitze ich nun…entspannt, (gerade sehr verliebt) und voller Vorfreude.
 
Nächster Stopp: Paris. 

Samstag, 4. März 2023

23 Stunden Bielefeld

Der erste Stopp dieser Reise: Bielefeld.Mir geht es mit dieser Stadt, wie es Menschen oft mit „Heimat“ geht, in der sie nun nicht mehr wohnen: es gibt in mir zeitgleich Liebe und Skepsis.

Ich bin in Bielefeld geboren und aufgewachsen, bin hier zur Schule gegangen, habe das Schwimmen für mich entdeckt und auch meine Freude am Trainerin-Dasein, habe wilde Partys gefeiert, meine erste Liebesbeziehung durchlebt, den praktischen Teil meines duales Studium hier absolviert…
Viele gute Erinnerungen und Erfahrungen verbinde ich mit dieser, etwas unscheinbaren Stadt am Teutoburger Wald.

Und seitdem ich nicht mehr hier lebe, verbinde ich auch Enge und Leistungsanspruch mit diesem Ort.

Enge, weil ich lange glaubte, dass es nur einen einzigen  Lebensentwurf gibt. 
Schule, Studium, Arbeit, Hochzeit, Kinder, Haus am Stadtrand und dann möglichst Karriere machen und gutes Geld verdienen. Das war meine Idee von „Leben“ bis ich ca. 25 Jahre alt war. 

Heute ist mein Leben viel bunter und vielfältiger als ich es mir als Heranwachsende an diesem Ort hätte vorstellen können. 

In Bielefeld wohnen einige meiner engsten und längsten Freund: innen. So gibt es immer genug Gründe um hier her zu kommen - was für ein Glück. 

23 Stunden in Puddingtown waren der perfekte Start für meine Reise. So dankbar, dass die Tür meiner Freundin Pia immer für mich offen ist.

Auf ein Wiedersehen in Bielefeld. Weiter geht’s nach Köln!


Donnerstag, 2. März 2023

Auf zu neuen Abenteuern…

Heute geht es los. 

Ich starte auf meinen kleinen Trip mit dem Interrail-Ticket durch Europa. Zwei Monate plane ich unterwegs zu sein, bevor ich Anfang Mai wieder in Berlin bin.

„Und was ist mit deinem Job?“, werde ich in den letzten Tagen häufiger gefragt. Ich habe spontan gekündigt. Ich hatte eine gute und lehrreiche Zeit bei zukunft zwei und es zieht mich weiter und in die Freiheit. Ich wünsche mir Veränderung und einen Sommer in dem ich meine Bedürfnisse erforsche und mir Zeit dafür nehme.

Bisher habe ich immer geglaubt, dass ich nur den richtigen Job finden muss und dann die Sehnsucht nach Veränderung nicht so oft an meine Tür klopft.

Gerade habe ich jedoch das Gefühl, dass es an der Zeit ist zu akzeptieren, dass es zwei Teile in mir gibt: Die Sehnsucht nach Verlässlichkeit und Ruhe und mein unbändiger Wunsch und Drang nach innerer und äußerer Freiheit.
Diese Teile wechseln sich regelmäßig ab und beide haben ihre Berechtigung ausgelebt zu werden.

Jetzt ist es die Freiheit, die mich ruft. 

Ich werde Geschichten sammeln, Menschen begegnen, neue Orte entdecken, mich treiben lassen und mich freudig diesem Abenteuer hingeben.

Wanderschuhe an, Rucksack auf und raus in die Welt.