Freitag, 7. April 2023

Eine Woche Toskana

Wo soll ich anfangen? Was soll ich schreiben?

Ich sitze im Zug nach Venedig. Die letzte Woche habe ich in der Toskana in der Nähe von Grosseto als Workaway verbracht.
Mein Gefühl hat mich im Vorfeld schon aufmerken lassen. Der Kontakt mit meiner Gastgeberin Gudrun  (Name von der Redaktion geändert 😉) war von Anfang an schon per WhatsApp ruppig und etwas unfreundlich. Ich hab mir nur gedacht: „Du weißt nie, was auf der anderen Seite gerade los ist“ und bin hingefahren.

Ja, da war ich dann mit einer Frau um die 60… Ich habe selten eine negativeren, voreingenommenen und zu allem eine Meinung habenden Menschen getroffen.

Schon auf dem Weg vom Bahnhof zu ihr nach Hause sagte sie: „Ich weiß gar nicht was ich mit Dir soll. Ich hätte eine Woche Urlaub machen sollen, jetzt hab ich dich an der Backe und du siehst nicht so aus als könntest Du irgendwas. Und dabei hab ich so viel zutun.“
So ging es dann auch zwei Tage weiter… ich durfte nichts anfassen, sollte am besten nichts sagen und wenn ich was getan habe, wurde es kontrolliert und korrigiert. Ich hab tief durchgeatmet und mir klar gemacht: „Hat nix mit mir zutun.“ Den ganzen Tag hat Gudrun einen Monolog gehalten. Wie blöd, hässlich, dumm und alt sie ist. Wie schlecht die Menschen sind (Die Italiener, die Deutschen, die Gäste, die Workaways, die Männer, die Frauen, die Jungen, die Alten, die Nachbarn, das Leben … grundsätzlich immer pauschal und grundsätzlich immer schlecht. Lachen oder gute Laune scheint sie nicht zu kennen. Und weil ich ja auch schlecht bin, hat sie mich keine Minute alleine gelassen. „Man weiß ja nie. Workaways können ja noch nicht mal richtig abspülen.“
Ich bin bei mir geblieben und habe u.a. Sätze von Louise Hay still in meinem Kopf wiederholt. Zum Beispiel: „Out of this situation only good will come.“
Meine positive und offene Grundeinstellung nicht verlieren - auch nicht mit toxischen Menschen.

Und ich hab angefangen zu fragen: „Was ist dir beim Abspülen wichtig? Wie möchtest Du deinen Tee am liebsten trinken? Darf ich die Küche ausfegen?“

Am dritten Tag hat sich dann langsam was verändert. „Du bist ja doch nicht so lebensunfähig wie die meisten Büromenschen. Zwar sehr rational aber anpacken kannst Du. Vielleicht solltest du Lokführer werden.“ 
Ich hab diese Aussage mal als Kompliment genommen. 

Wer ich bin, was mich bewegt und beschäftigt, was ich schon gearbeitet und erlebt habe, wen oder was ich liebe und was meine Glaubenssätze und Werte sind, interessiert Gudrun nicht. Meine Redeanteile waren sehr auf das Wesentliche beschränkt und irgendwann hatte ich auch keine Lust mehr, mehr von mir zu zeigen. Ist ja in ihrer Welt eh alles schlecht...
„Zwei Monate Interrail? Das hat in meiner Welt nichts mit Reisen zutun. Das ist so ein Möchtegern Hippieleben für 8 Wochen!“

Warum bin ich (wie von Anfang an vereinbart) eine Woche geblieben? 

Ich konnte in dieser Woche viel über Menschen und über mich lernen. Die Wirkung von positiven und negativen Glaubenssätzen, sich selbst erfüllende Prophezeiung, Selbstbewusstsein, unterschiedliche Perspektiven, Selbst- und Fremdwahrnehmung und so viel mehr. Ich konnte vor allem meine Entwicklung der letzten Jahre wahrnehmen. Bei mir bleiben, nicht von Menschen beeinflussen lassen, wissen wessen Meinung mir was bedeutet.
Und ich hab auch nochmal deutlich erfahren, dass Geld, Wohnort, Wohlstand, Wetter, Bildung etc. kein Garant für Lebensfreude ist. Gudrun hat das alles. 
Glücklich ist sie nie.



Am vorletzten Tag konnte sie das erste Mal „Danke“ sagen und hat mich eingeladen mit ihr und ihrer Tochter, dem Freund und ihrem Ex-Mann Ostern zu feiern und länger zu bleiben. 
Ich hab freundlich abgelehnt. Auch meine Lebensenergie ist nicht unbegrenzt und es wird Zeit für neue (positivere) Menschen um mich herum.

Jetzt geht es weiter nach Venedig. Ich stürze mich gleich ins nächste Workaway-Abenteuer. 😎

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