Donnerstag, 16. März 2023

12 Stunden bis Carcassonne

Guten Morgen aus Carcassonne.

Das ich es gestern bis hierhin geschafft habe, grenzt für mich an ein Wunder. 

Mein Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang am Atlantik. Ich genieße den Geruch von Salz in der Luft und das Donnern der heranrollenden Wellen. Zurück im Hostel erwartet mich der strahlende Besitzer. „Ich hab dir den Kuchen mitgebracht, von dem ich gestern gesprochen habe. Probier am besten beide Sorten.“ Wow. Ich frühstücke also leckeren Kuchen und setze die guten Gespräche über Lebenseinstellungen und Arbeit des Vorabends fort. Ich hab‘s gut.

Ich werfe meinen Rucksack über die Schulter und nehme dankbar Abschied von dem besten Hostel in dem ich bisher war. Singend laufe ich zur Bushaltestelle. Der Bus ist voll mit Jugendlichen die alle auf ihr Handy starren. Ich zahle 1€ für die Fahrkarte und frage mich wieder viele Fragen auf der 30 minütigen Fahrt. Warum sind diese jungen Menschen an einem sonnigen Tag so energielos? Niemand spricht, alle scrollen durch Instagram… 

Am Bahnhof hab ich geplant eine Stunde Zeit. Ich gehe zum Schalter und frage, ob es möglich ist noch spontan den Schnellzug ab Bordeaux zu reservieren. Die Frau sagt: „Impossible“. Ich antworte, dass ich dann mit den Regionalzügen nach Carcassonne fahre. Sie schaut mich mit große Augen an, tippt wild auf ihrer Tastatur herum und sagt erneut: „Impossible“. Leider spricht sie kein Englisch und so wendet sie sich kopfschüttelnd der nächsten Kundin zu. Ich warte in der Sonne und telefoniere ausgiebig mit meiner Schwester. Der Zug ist pünktlich und leer. In Bordeaux habe ich eine Stunde Aufenthalt. Ich gönne mir einen Kaffee in der Sonne mit Blick auf den Bahnhof. Mit dem Zug geht es weiter nach Agen. Die 1,5 Stunden Umstiegszeit nutze ich für eine kleine Erkundungstour durch diese schnuckelige Stadt. 

Ich bin pünktlich zurück am Bahnhof und stelle fest, dass keine Züge mehr auf der Anzeige zu sehen sind. Aha. Das ist also dieser Streik von dem alle sprechen :-). Ich richte mich gedanklich schon darauf ein, eine Nacht hier zu bleiben als ich eine Frau höre die wütend auf einen Bahnmitarbeiter einredet. Es fällt das Wort „Carcassonne“ und ich werde hellhörig. Der Mann verlässt mit der Frau rennend das Bahnhofsgebäude, ich hinterher. Draußen setzt sich gerade ein Bus in Bewegung. Der Bahnmensch rennt schneller, schreit, winkt wie wild. Der Bus hält, die Frau und ich steigen ein. Ich hab keine Ahnung wohin dieser Bus fährt und freue mich über meinen spontanen Impuls den anderen ungefragt hinterherzurennen. Die Frau sitzt ein paar Reihen vor mir und ist sichtlich gestresst und weint. 

Ich kann gut mitfühlen. Es ist noch nicht so lange her, dass mich so ungeplante Ereignisse gestresst und geängstigt haben. Ich bin dankbar, dass ich das jetzt so oft loslassen kann und nun glücklich statt geängstigt in einem Bus sitze von dem ich nicht weiß, wohin er mich bringt. Nach zwei Stunden erreichen wir Toulouse. Laut Anzeige im Bahnhof soll in 5 Minuten ein Bus nach Carcassonne fahren. Wieder renne ich, suche den Abfahrtsort und bin die Letzte, die einsteigt bevor der Bus abfährt. Die Frau kann ich nicht entdecken. Mittlerweile ist es dunkel draußen und ich freue mich über meine selbstgemachten Wraps zum Abendessen.

Um 21:30 erreiche ich müde Carcassonne. 



Ich hab es hier wieder als Workaway versucht und einer Frau meine Unterstützung angeboten. Sie hat mich gleich angerufen und mir erzählt, dass sie mich gerne aufnehmen würde. Allerdings fliegt sie am Tag meiner Anreise für zwei Wochen nach Großbritannien. Ich könnte aber einfach in ihrem Haus wohnen und etwas Gartenarbeit machen. Ob ich Lust dazu habe? Ja, was für eine Frage.

So habe ich jetzt ein wunderbares Haus am Stadtrand von Carcassonne für mich alleine. Die Streiks gehen noch bis zum Wochenende. Ich bleibe also erstmal entspannt hier und mache mich dann auf den Weg nach Spanien. 


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