Ich werde nicht mehr so weiterleben wie bisher.
Ich spüre Herzrasen wenn ich diesen Satz schreibe. Ich atme ein paar mal tief durch und spüre in mich hinein. (Und mein Kopf sagt mir, dass spätestens hier die Menschen denken: Karin ist wirklich komisch geworden. Danke lieber Kopf. Du bist mir oft wichtig und hilfreich. Und wenn es ums Wahrnehmen geht, darfst du entspannt Pause machen.)
Vor noch einem Jahr hätte ich mein heutiges Ich auch als komisch empfunden. Ich habe das gesellschaftliche "normal" so akzeptiert und verinnerlicht, dass ich mich nicht getraut habe wahrzunehmen und zu spüren. Ich habe mich taub gemacht um mich in dieser Gesellschaft dazugehörig zu fühlen und mitlaufen zu können. Wir sind alle taub und tun so, als wäre es normal, dass Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken, wir lieber Überstunden machen als den Menschen in unserem Umfeld Aufmerksamkeit zu schenken, wir unseren Lebensraum und unsere Lebensgrundlage zerstören, Menschen auf der Straße leben, Kriege (vor unserer Haustür) wüten und wirtschaftlicher Wachstum die wahre Lösung unserer Probleme ist. Und wenn wir endlich die neue Playstation, die Handtasche oder das neue Smartphone haben, werden wir uns bestimmt glücklich fühlen.
Eine Krise jagt die nächste, die Erde steht in Flammen und wir sorgen uns um Weihnachtsgeschenke.
Ich habe das stetige Gefühl von "irgendwie ist das alles falsch" mit aller Kraft bekämpft und unterdrückt und mich stattdessen aufs funktionieren konzentriert. Und ich habe mich tief im Innern so einsam, hilflos, leer und traurig gefühlt.
Ich kenne niemanden, der glücklich mit dem Status quo ist. Die meisten Menschen um mich herum sind gestresst, kämpfen mit psychischen Problemen, haben (Existenz-) Sorgen, fühlen sich einsam oder sind auf der frustrierten Suche nach Erfüllung oder dem Sinn des Lebens. Und wir alle versuchen diese innerliche Leere durch materielles zu füllen oder uns mit Alkohol, Drogen oder anderen Dingen zu betäuben und zu vergessen.
Ich will nicht mehr.
Ich stabilisiere mit meinem bisherigen Verhalten den Status Quo. Ich bin mitgeschwommen in diesem Strom der Taubheit und habe das "normal" (was mich tief im Innern so leer und traurig macht) akzeptiert. Ich bin in die Opferrolle gegangen und habe oft gesagt oder gedacht: "Ich kann ja nichts ändern" oder "Ist ja normal, machen alle so".
Ich möchte in einer Welt leben (und damit bin ich sicher nicht alleine) in der wir wahrnehmen und fühlen, in der Menschen und nicht Geld oder Dinge das Wichtigste sind, in der wir behutsam und überlegt mit unseren Ressourcen und unserer Lebensgrundlage umgehen und in der Begegnung und Berührung das neue "normal" sind.
Ich fange an.
Ich nehme wahr und gehe aus der Hilflosigkeit und Ohnmacht der Opferrolle in die Schaffenskraft. Ich schaffe Platz zwischen dem Wahrnehmen und der Interpretation der Wahrnehmung. Ich gehe in wirkliche Begegnung und Berührung und stelle Verbindung durch Fühlen, Zuhören und Präsenz her.
Während ich diese Zeilen schreibe, bekomme ich eine Nachricht von einem Freund und ehemaligen Arbeitskollegen von mir:
"Liebe Karin, danke für das schöne Treffen gestern. Was Du getan hast und was Du Dir für viele wünscht, ist etwas, was ich in dieser Art lange nicht mehr gefühlt habe. Es ist ein Gefühl von Nähe, Offenheit, Wärme und Loslassen von Blockaden und ich habe das sehr genossen. Unsere Begegnung hat mich sehr bewegt und bringt mich dazu innerlich vieles neu zuordnen und es in einem neuen Licht zu sehen. Das ist wunderschön."
Wow. Diese Worte rühren mich an und bewegen mich.
Was ist bei diesem Treffen gestern passiert?
Wir waren gemeinsam Mittagessen und ich habe irgendwann gefragt, ob ich die Hand dieses Menschen halten darf. Die Antwort: "Klar, kein Problem. Ist ja keine große Sache".
Also habe ich seine Hand gehalten und ihm schweigend in die Augen gesehen. Ich spürte meinen eigenen Herzschlag, meine Angst und Unsicherheit.
Auf der anderen Seite waren plötzlich viele Worte, nervöses durch den Raum schauen, viel aufgeregtes Lachen. Ich bin schweigend geblieben. Habe geschaut, mein Herz geöffnet, wahrgenommen und mich immer mehr im Fühlen entspannt. Und nach ein paar Minuten wurde auch er still, weich, offen. Wir haben uns beide gezeigt, mit dem, was wir sind. Viel intensiver und ehrlicher als wir es in den vergangenen Jahren unserer Freundschaft mit vielen Worten geschafft haben. Ich spüre tiefe Dankbarkeit für diesen Moment.
Ich bin glücklich und es bestätigt mein Gefühl von "ich, mein Handeln und Sein machen einen Unterschied und ich bin handlungsfähig". Ich kann die Welt verändern, in der ich lebe. Ich kann und werde in Begegnung gehen und den Status Quo infrage stellen. Ich werde jetzt oft die Hand von Menschen halten, mich verletzlich und authentisch zeigen, Menschen statt Dinge lieben und stetig die Welt erschaffen in der ich leben möchte.
Der Weg meiner Entwicklung ist lang und nicht immer einfach. Alles in Frage zu stellen, was ich bisher als richtig/normal eingeschätzt habe, bringt mich oft an meine Grenzen. Ich fühle mich oft auch unverstanden und einsam. Und ich glaube und spüre, dass es sich lohnt sich auf den Weg zu machen.
Falls Du Dich auf den Weg machen willst, liste ich hier mal ein paar Dinge auf, die für mich auf diesem Weg inspirierend sind. Über die "nicht greifbaren Inspirationen" (z.B. den Tod meines Vaters) schreibe ich bei Gelegenheit mal einen Blogeintrag.
- Louise Hay
Mit Louise Hay ist 2018 eine unglaubliche Kraft für Veränderung in mein Leben gekommen. Ich höre ihre Worte oft in Situationen in der ich mich unsicher fühle, Orientierung brauche oder einsam bin. - Liebe tanzen & Liebe tanzen Festival
Eine regelmässige Veranstaltung bei der ich tanzend anderen Menschen begegne und mich darin übe meinen Impulsen zu folgen, alte Glaubenssätze aufzulösen und mich lebendig zu fühlen mit allem was da ist - Deep Connection
Meine Lieblingsveranstaltung bei der wundervollen Eliane Hutmacher. Hier übe ich "Nein" sagen, für mich und meine Bedürfnisse zu sorgen, Geben und Nehmen zu genießen und so viel mehr... - Ecstatic Dance
Im Tanz fühle ich mich lebendig - egal ob alleine mit geschlossenen Augen oder in Begegnung mit anderen, ob wild oder sinnlich.. ich liebe es. - Buch: Wenn wir wieder wahrnehmen
Dieses großartige Buch hat u.a. den Anstoß für diesen Blogeintrag gegeben
Ich wünsche euch Mut für besinnliche, zärtliche, authentische und verbindende Tage mit euren Liebsten.